Die vergesse Heldin von St. Augustin

Anna Petrova (18) verhinderte ein Blutbad und bezahlte dafür mit ihrem Traum – Women’s Business Club bringt die junge Heldin nun zu Top-Chirurgen nach Berlin

Bonn/Mannheim/Berlin, 24. November 2009 - Anna Petrovas Traum von einem Leben als Zahnärztin wurde am 11. Mai 2009 zerstört. An jenem Tag verhinderte die damals 17-jährige Gymnasiastin den Amoklauf ihrer Mitschülerin Tanja O. in St. Augustin bei Bonn. Anna Petrova stellte sich der Attentäterin in den Weg und wurde im Kampf mit einem Kurzschwert verletzt. Ihren Todesmut muss Anna Petrova teuer bezahlen: trotz einer fünfstündigen Operation ist die Feinmotorik ihrer Hände gestört, der Tastsinn eingeschränkt. Ihr Berufswunsch Zahnmedizin scheint deshalb in weite Ferne gerückt. Doch nun bekommt die vergessene Heldin von St. Augustin unerwartete Unterstützung vom Women’s Business Club und und dem Mannheimer Anti-Gewaltverein Ken Zores: Auf deren Vermittlung hin wird nun ein Chirurgenteam von placet e.V. Berlin die junge Frau untersuchen und ihre Hand operieren.

Noch immer überfallen die Bilder des Kampfes die junge Frau. Nicht nur, dass sie ihre Finger nicht mehr richtig fühlen und bewegen kann, sondern sie hat auch ein schweres psychisches Trauma davongetragen. Tagelang saß die mutige Schülerin im Gerichtssaal als Nebenklägerin und verfolgte den Prozess gegen ihre Peinigerin. Anna Petrova hat Zivilcourage gezeigt, ganz so wie es die Gesellschaft von mündigen Bürgern einfordert. Sie hat das Leben ihrer Mitschüler und der Lehrer gerettet und dafür mit ihrem Traum bezahlt.

Kann unsere Gesellschaft der heute 18jährigen attraktiven Rheinländerin etwas für ihere Heldentat zurückgeben? „Für mich gibt es ein Leben vor dem 11. Mai und eines danach“, sagt sie. Es bedarf nur dieses einen Satzes, um ihren Zustand zu beschreiben. Anna Petrova war eine Heldin für einen Tag, vielleicht auch für zwei oder drei. Danach wandten sich die Medien wieder anderen Protagonisten zu. Und die gerade noch Gefeierten sehen sich mit ihrem weiteren, gänzlich veränderten Leben, mit ihren Verletzungen und ihren Schmerzen allein.

Dass dies nicht auch mit Anna Petrova geschieht, will nun der Mannheimer Anti-Gewalt-Verein Ken Zores (der Name bedeutet in etwa „Kein Zoff“) gemeinsam mit dem Women’s Business Club verhindern: Mitte November verliehen die beiden Organisationen Anna Petrova den Ken Zores Award. Ken Zores-Gründer und Sänger Claus Eisenmann (ehemals Sänger der „Söhne Mannheims“) begründet die Auszeichnung damit, dass die Gymnasiastin „ein großes Vorbild an Mut“ sei. Der junge Verein will künftig unterschiedliche Präventionsprojekte fördern, Gewalt verhindern und Zivilcourage fördern.

Das Engagement des Women’s Business Club hat einen sehr persönlichen Hintergrund. Dessen Präsidentin, die Berliner Unternehmerin Frieda Vonderbeck musste Weihnachten 2008 erfahren, wie schnell man Opfer von Gewaltverbrechen werden kann. Vonderbecks Tochter und ihr Sohn wurden vor einer Mannheimer Diskothek von mehreren Schlägern grundlos krankenhausreif geschlagen. „Es kann nicht sein“, so Frieda Vonderbeck, dass wir die Opfer von Gewalt allein lassen.“ Am Abend der Benefizgala beschlossen Vonderbeck und fünf Mitglieder des Women’s Business Club aus dem Raum Mannheim / Heidelberg, Anna Petrova zu unterstützen, indem sie die junge Frau auf ihrem Lebensweg betreuen und ihr eine Reise nach Berlin ermöglichen, wo sie Experten treffen soll.

In Berlin wird sie von dem Plastischen Chirurgen Professor Frank W. Peter untersucht. Der Spezialist arbeitet mit einem Team von Ärzten zusammen – darunter auch einer der besten Handchirurgen Deutschlands – die unentgeltlich junge Opfer von Terror, Gewalt und Krieg aus aller Welt operieren. Mentale Unterstützung wird Anna Petrova in der Hauptstadt von Dr. Rüdiger Vonderbeck erfahren, der ihr als Psychotherapeut bei der Bewältigung ihrer posttraumatischen Belastungsproblemen helfen kann.